Donnerstag, 1. November 2012

Gemeinsam einsam

1082 Personen zählten zu Simone Backs Facebook-Freunden. Aber was taten diese, als sie an Weihnachten 2011 Selbstmord beging und dies mit dem Post: „ habe alle Pillen genommen, werde bald tot sein, bye-bye everyone“ im Facebook ankündigte? Rund 150 Kommentare sollen auf die letzte Nachricht der Frau eingegangen sein. Einige ihrer „Freunde“ bezeichneten sie als Lügnerin, andere schrieben, es sei ihre eigene Entscheidung. Helfen wollte keiner!
 
Der durchschnittliche Benutzer hat oft 100 Facebook-Freunde, aber keinen einzigen echten Freund. Computer und Internet geben uns zwar die Freiheit überall zu arbeiten und über die Grenzen hinweg Kontakte zu knüpfen – in Wahrheit jedoch sind wir überall „gemeinsam einsam“.
 
Auf Grundlage umfangreicher Studien beschreibt die bekannte US-Soziologin Sherry Turkle in ihrem neuen Buch „Verloren unter 100 Freunden“ wie die Internet-Kommunikation und der Einsatz sozialer Roboter Geist, Gefühlsleben und Beziehungen der Menschen in den vergangen 15 Jahren gewandelt haben. Und gelangt zum alarmierenden Schluss: „Beziehungen zu pflegen, Freundschaften  in Gesprächen zu vertiefen und Liebe durch Fürsorge zu geben, erscheint Menschen heute oft zu kompliziert. Allein zu sein ist für die meisten aber mindestens genauso unerträglich.“ Und so kommunizieren sie rund um die Uhr im Netz und werden zunehmend unfähig, echte Gespräche zu führen – eben „Gemeinsam einsam“.
 
Auf die Frage für den richtigen Umgang mit der digitalen Welt, meinte Sherry: „Ich glaube nicht, dass Abstinenz die Lösung ist. Besser wären eine digitale Diät, digitale Ruhepausen oder ein Gespür für den gesunden Umgang mit der digitalen Welt. Man könnte „heilige Orte für die Konversation“ definieren – die Küche, das Esszimmer. Am wichtigsten aber: Wir sollten einander wieder zuhören, sogar wenn es langweilig wird und plötzlich alle in Schweigen verfallen. Denn das sind die Momente, in denen wir uns gegenseitig offenbaren.“ (zum Interview)

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